Studie belegt: Lebensraum Egelsee-Wyssloch ist sehr artenreich und beherbergt stark gefährdete Arten

Der kleine Moränensee prägt den Gewässerraum Egelsee-Wyssloch an der tiefsten Stelle der Geländerkammer. 

Bereits heute viel Grün- und Freizeitnutzung

Bereits heute seien der Egelsee und das Wysslochtäli durch viel Grün- und Freiraumnutzung belegt, hält die Studie von UNA, dem Atelier für Naturschutz und Umweltfragen, in ihrer Zusammenfassung fest. Diese Studie im Auftrag von Stadtgrün Bern vom 6. Dezember 2019 wurde bisher nicht publiziert. Die IG Egelsee hat sie erst auf Nachfrage bei der Stadt erhalten und veröffentlicht sie hier in Auszügen. Bei der Entwicklung der Parkanlage (mit Schulanlagen) soll auch in Zukunft ihr Wert als Lebensraum für wildlebende Pflanzen und Tiere erhalten. Deshalb gilt es daher, die  Anforderungen hinsichtlich Natur und Ökologie in der weiteren Planung zu beachten, hält die Studie fest. Ergänzend dazu ist festzuhalten, dass diese Anforderungen in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen festgelegt sind und sich auch die Stadtregierung daran zu halten hat. Denn im Gebiet Egelsee-Wysslochtäli leben Pflanzen und Tiere, die auf der roten Liste stehen, also national unter besonderem Schutz stehen. Aufgrund seiner giftigen Schlammschicht eignet sich der Egelsee nicht als Badegewässer.

Untersuchungsgegenstand durch Auftraggeber eingegrenzt

Ziel dieser Studie war es, verschiedene Untersuchungen, welche im Auftrag von Stadtgrün Bern in den Jahren 2018 und 2019 zur Artenvielfalt und den Lebensraum von Flora und Fauna erstellt wurden,  in einem Bericht zusammenzuführen und zu plausibilisieren. Dabei fällt auf, dass beispielsweise die Vögel, welche in dem Gebiet brüten oder überwintern, nicht untersucht wurden oder vielmehr nicht im Bericht vorkommen. So ist der Eisvogel regelmässig am Egelsee zu beobachten, wo er sich seine Nahrung wie Fische und Insekten holt.  Auch der äusserst seltene Nachtreiher wurde bereits am Egelsee beim Durchzug beobachtet. Zudem wurden die Reptilien nicht untersucht. Dabei richtetet sich der Bericht an den Plänen der Stadtregierung aus, welche bekanntlich einen Park mit Schulneubau und Umbau eines Bauernhofes in eine Tagesschule im Gebiet vorsieht. Unerfreulich ist, dass der Teil des Sees, den die Stadt als "dicht überbaut" bezeichnet, von den Wissenschaftlern als  Ausgangslage genommen wird. Dabei geht vergessen, dass diese Einordnung noch gar nicht in Kraft ist, weil verschiedene Personen und Organisationen diese Einordnung als nicht gesetzeskonform bezeichnen und Einsprache gemacht haben. Somit kann festgehalten werden, dass keine vollständige Bestandsaufnahme der Naturwerte gemacht worden ist, wie wir uns das gewünscht hätten. Die Familiengärten beispielsweise, auf denen der Schulneubau geplant ist, wurden nicht untersucht, da sie kein naturnaher Lebensraum seien. Die Wissenschaftler haben aber darauf hingewiesen, wie reich die Familiengärten an wertvollen Strukturen seien, die Lebensräume für Kleinsäuger, Amphibien und Insekten bieten würden.  Bei den Quellen des Berichts stossen wir auf einen bekannten Namen: Franziska Teuscher, die als Biologin 1993 am Sanierungskonzept des Egelsees mitgearbeitet hat und sich heute als amtierende Gemeinderätin für den Standort einer neuen Schule am Egelsee einsetzt... 

Wir empfehlen allen Interessierten, die UNA-Gesamtstudie beim Auftraggeber, der Stadt Bern, telefonisch beim Informationsdienst direkt einzufordern unter: T.: 031 321 76 99 oder direkt bei Stadtgrün Bern T.: 321 69 11. 

Besonders bedrohte Arten, die auf der roten Liste stehen

Inwieweit diese Libellenart, hier am kleinen Holzsteg aufgenommen, gefährdet ist, wissen wir nicht.

Rote Listen, so steht es erklärend in der Studie, sind anerkannte wissenschaftliche Gutachten, in denen der Gefährdungsgrad von Arten und Lebensräumen dargestellt werden. Sie werden von Fachpersonen des Bundesamtes für Umwelt in der Schweiz erstellt. Bei den Pflanzenarten wurden nur diejenigen rund um den Egelsee untersucht. Insgesamt sind 9 Tier- und Pflanzenarten im Gebiet Egelsee und Wysslochtäli auf der roten Liste verzeichnet. Dabei handelt es sich um 2 Pflanzenarten, 2 Schneckenarten, 1 Libellenart, 1 Tagfalter, 1 Amphibie und 2 Säugetiere. 

Hinter den gelben Schwertlilien gründeln die jungen Stockenten.

Bei den Lebensräumen ist eine Vielzahl unterschiedlicher Räume aufgelistet worden, die auf der roten Liste aufgeführt sind:

 

  • Stark gefährdet:
  1. Auenweidengebüsch,
  2. Erlenbruchwald,
  3. Weichholz-Auenwald,
  4. feuchte Trittflur.
  • Gefährdet: 
  1. Fliessgewässer mit Gürtelvegetation,
  2. Laichkrautgesellschaft,
  3. Schwimmblattgesellschaft,
  4. Stillwasserröhricht,
  5. Flussufer- und Landröhricht,
  6. Grosseggenriet,
  7. feuchtwarmer Krautsaum,
  8. Steinpflaster-Trittfluren
  9. kalkhaltiger, lehmiger Hackfruchtacker.
  • Potenziell gefährdet: 
  1. feuchte Hochstaudenflur (Spierstaudenflur),
  2. mesophiler Krautraum,  
  3. trockenwarmes Gebüsch,
  4. mesophiles Gebüsch,
  5.  trockene Trittflur.

Der Röhricht gehört zu den gefährdeten Arten. 

Die Artenvielfalt ist für ein städtisches Gebiet sehr hoch

Die kleinräumige Struktur- und Lebensraumvielfalt sorgt für eine sehr hohe Artenvielfalt.

Zu den besonderen Pflanzen rund um den Egelsee (weiteres Wysslochtäli wurde nicht auf Pflanzenarten untersucht) gehört das nordwestliche Flachufer mit dem Ährigen Tausendblatt (Myriophillum spicatum) sowie die Salz-Teichbinse (Schoenoplectus tabernaemontani)

Bei den Säugetieren gehen die Wissenschaftler davon aus, dass viele Arten das Gebiet als Streifgebiet nutzen. Neben dem Iltis (rote Liste) wurden der Igel, das Einhörnchen, das Hermelin, die Wanderratte, die Zwerg- und Weisswandfledermaus sowie das Reh und der Dachs selbst oder im umliegenden Gebiet beobachtet.

Von den vier Amphibienarten sind der Grasfrosch und die Erdkröte (rote Liste) die häufigsten neben dem Wasserfrosch und dem Bergmolch. Im benachbarten Schosshaldenwald wurde ein Fadenmolch nachgewiesen.

In den Schwertlilienblättern hocken Libellen.

Es kommen 27 Libellenarten am Egelsee vor, von denen bei 16 Arten angenommen wird, dass sie sich in den Gewässern am See fortpflanzen. Insgesamt 15 Tagfalterarten wurden beobachtet, was für ein Stadtgebiet laut Studienverfasser eine ansehnliche Zahl darstellt. Dabei sind der Kurzschwänzige Bläulich (Cupido argiades) und der Karstweissling (Pieris manii) potentiell gefährdete Arten laut roter Liste. Und der Kleine-Sonnenröschen-Bläuling ist auf Pflanzen wie das Sonnenröschen oder den Gemeinen Reiherschnabel angewiesen. Sehr hoch für ein Stadtgebiet ist die Vielfalt an Schneckenarten. Es wurden 32 Arten gefunden, unter anderem die nach roter Liste als verletzlich eingestuften Arten wie Glattes Posthörnchen und die Quendelschnecke sowie die potenziell gefährdeten Arten Westliche Heideschnecke und Wassernacktschnecke.

                                                         Quelle: artenschutz.ch

Auf diesem Grundstück soll der Schulneubau entstehen.

Die Familiengärten  sind von den Wissenschaftlern nicht bewertet worden, da sie nicht naturnah sind. Allerdings sind sie reich an wertvollen Strukturen wie Kompost, Asthaufen usw., welche Lebensraum für Amphibien, Kleinsäuger und Insekten bietet.

Fazit

Der Bericht des Ateliers für Naturschutz und Umweltfragen (UNA) im Auftrag der Stadt gibt einen Einblick in die reichen Naturwerte, welche das Gebiet Egelsee/Wyssloch enthält. Für uns lässt er folgende Rückschlüsse zu:

  • Das Gebiet Egelsee/Wyssloch wird heute schon durch den Menschen vielfältig genutzt. Es braucht also nicht zusätzlich durch Menschen und Bauten "belebt" zu werden.
  • 9 Tier- und Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste, ihnen ist also besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
  • Das Gebiet ist durch seine hohe Artenvielfalt und vielfältigen Lebensräume äusserst wertvoll an Naturwerten.
  • Für Eingriffe in die Natur muss die Stadt eine Reihe von Massnahmen treffen wie beispielsweise Ausgleichsflächen schaffen. Wir fragen uns, wo gleichwertige Ausgleichsflächen in dem Gebiet als Ersatz geschafft werden können?
  • Der Bericht erfasst die Naturwerte nicht vollständig, so wurden beispielsweise keine Vögel erfasst. 
  • Dieser Bericht hätte die Stadt unseres Erachtens als Hintergrundinformation der städtischen Auflage "Zonenplan Egelmösli Wssloch mit Änderung der Bauordnung" beilegen sollen.

 

Im Wysslochtäli: hinten der Egelbergwald, der für einen Schulneubau teilweise gerodet werden müsste.