Klarstellung ist notwendig

In der Debatte rund um die Nutzung des ehemaligen Entsorgungshofes wird immer wieder der Betrieb der "Bar au Lac" damit gerechtfertigt, dass dieser auf einer von StadtGrün Bern breit abgestützten Partizipationsverfahren beruht. Dieser Argumentation sowie weiteren Unrichtigkeiten begegnen wir mit Klarstellung:

Quartierbevölkerung

Das kleine Areal des Entsorgungshofes am Egelsee kennen inzwischen alle: persönlich, aus den Medien, aus Gesprächen. Doch ist vielen unklar, wer die Quartierbevölkerung sein soll, die nach dem Willen der Stadtregierung das Areal als neuen Quartiermittelpunkt nutzen soll. Als Quartier bezeichnet die Stadtregierung den Stadtteil IV, der das Kirchenfeld, das Gryphenhübeli, die Schosshalde, die Brunnadern, das Murifeld und das Beundenfeld erfasst. Knapp 27'000 Bewohnerinnen und Bewohner sind gemäss Stadt damit Quartierbewohner. 

Hierzulande entspricht dies der Einwohnerzahl einer mittelgrossen Stadt, die sich auf dem bereits übernutzten Areal mit dem Egelsee und seinem durch das Umweltschutzgesetz, die darauf sich beziehende Gewässerschutzverordnung sowie den durch das Raumplanungsgesetz geschützten Uferraum "begegnen" sollen.

Partizipationsverfahren

An der Kick-off-Sitzung vom 14. September 2015 stellten die Teilnehmenden fest, dass die Anwohner im engeren Sinne fehlten, sowie die Hündeler, Fischer, "Naturfreaks", der Campus Muristalden sowie das Zentrum Paul Klee. Am Workshop vom 19. Oktober 2015, an dem die Weichen für einen Cafébetrieb gestellt wurden, waren Behördenvertreter, Gastronomen sowie Interessenverbände anwesend. Beim Workshop vom 11. Januar 2016 waren gemäss der zuständigen Projektleiterin 20 Einzelpersonen dabei.

Bei knapp 27'000 Quartierbewohnern können diese Workshops nicht als repräsentativer Einbezug der Quartierbevölkerung bezeichnet werden. Es ist unseres Erachtens behördliche Falschinformation, von einem Partizipationsverfahren zu sprechen; demokratische Legitimation sieht anders aus. 

Politische Vorstösse

Von Seiten der Behörden wird der Betrieb der "Bar au Lac" mit folgenden fünf politischen Vorstössen (öffentliches Interesse) begründet: 

  • Postulat Fraktion FDP: Der Egelsee der Zukunft: Begegnungsstätte statt Entsorgungshof; 
  • Motion Fraktion BDP/CVP: Der Egelsee nach dem Entsorgungshof: Begegnungsstätte für Familien und Anwohner; 
  • Motion SVP: Neugestaltung und quartierverträgliche Nutzung des Entsorgungshofs Egelsee als Naherholungsraum nach der Inbetriebnahme des Entsorgungshofes Schermen ab Sommer 2015; 
  • Postulat Fraktion SP: Neue Nutzungsmöglichkeiten am Egelsee nach Auszug des Entsorgungshofes; 
  • Motion Fraktion CVP/BDP: Zwischennutzung des Areals "Entsorgungshof Egelsee".

Prüft man diese Vorstösse genauer, ist festzustellen: In nur zwei der fünf Vorstösse ist angeregt worden, "unter anderem" auch ein Café als Zwischennutzung zu prüfen, in allen anderen Vorstössen ist kein Café erwähnt worden. 

Bevölkerungswachstum

Bern wächst – ob das gut ist oder nicht – darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein. Dieser Bevölkerungsanstieg rechtfertigt aber nicht, dass jede Grünfläche von der Stadtregierung verdichtet genutzt oder überbaut wird. 

Cafébetrieb

Ein normaler Cafébetrieb bietet vorwiegend Kaffee und Kuchen an. Bei der "Bar au Lac" handelt es sich um einen Take-Away-Betrieb, ein Café, ein Restaurant und um einen Barbetrieb, der "mietfrei" an sechs Tagen bis spätabends gewinnorientiert wirtschaftet. 

Zwischennutzung

Den Kritikern eines Gastgewerbes am Egelsee wird vorgeworfen, gegen jede Art der Zwischennutzung zu sein. Diese Pauschalbehauptung stimmt so nicht. Wir haben Vorbehalte gegen zonenfremde Nutzungen in der Gewässerschutzzone, gegen die Übernutzung des Areals (Lärmimmissionen) sowie gegen das wilde Parkieren auf dem Areal und in der Umgebung. Wir wehren uns gegen Behörden, die unseres Erachtens bei der Nutzung des Areals sich nicht an die Rechtsordnung halten. Die Verfassung, die Gesetze und Ausführungsnormen sind bereits im öffentlichen Interesse erlassen worden und fördern das friedliche Zusammenleben. Das öffentliche Interesse kommt nur zur Anwendung, wenn eine Rechtsnorm eine gerechte Interessensabwägung verlangt. Kommerziellen Gastgewerbebetrieben billigen die Gerichte in ihren Urteilen regelmässig kein öffentliches Interesse zu.

Verein am See

Wir gratulieren den Vorstandsmitgliedern dazu, innerhalb von kurzer Zeit Neues für das Quartier aufgebaut zu haben. 

Problematisch finden wir: Ein im Jahr 2016 gegründeter Verein wird bereits zum privilegierten Ansprechpartner der Stadt. Der Verein fixiert sich u.E. zu sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Gastrounternehmen Gagarin GmbH (Betreiberin der "Bar au Lac"). Für eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe sind wir als engagierte Anwohner offen.

Lärm

Den Kritikern wird vorgeworfen, dass der Entsorgungshof viel lauter gewesen ist als der Gastgewerbebetrieb. Wir Anwohner sind sehr froh, dass der lärmige Betrieb geschlossen worden ist. Wir wohnen unter der Anflugschneise des Flughafens Bern-Belp, in unmittelbarer Nähe der Muristrasse als vielbefahrene Durchfahrtsstrasse und an Quartierstrassen, die als Schleichwege während der Stosszeiten dienen. Im Entsorgungshof wurde weder über Mittag, noch am späten Abend gearbeitet oder am Samstag Nachmittag oder am Sonntag. Dies im Gegensatz zum 7-Tage-Betrieb der "Bar au Lac" bis in die späten Abendstunden. Auch menschlicher Lärm kann nachweislich störend sein. Zuviel Lärm hat gesundheitlich nachteilige Auswirkungen. Wir vermissen die sonst so stillen Abendstunden und Sonntage zur Erholung in unserem überdurchschnittlich lärmgeplagten Wohnquartier. 

Umweltschutz

Der Egelsee liegt mitten in der Stadt. Seine Flora und Fauna ist sehr wertvoll und soll auch den kommenden Generationen als einmalige Naturoase erhalten bleiben. Der See ist nachweislich äusserst vulnerabel (Sauerstoffgehalt, Nährstoffbelastung, Flachgewässer). Als natürlicher Kleinsee steht er unter besonderen gesetzlichen Schutz. In Zeiten der Klimaerwärmung verbessert er das Stadtklima. Rodungsaktionen von Büschen und Hecken, wie sie StadtGrün Bern im Hochsommer für eine bessere Aussicht auf den See gemacht hat, zeugen nicht von Respekt gegenüber der Natur.

Rechtliche Problematik

Ist die erteilte Einzelbewilligung des Regierungsstatthalters für die Festwirtschaft am Egelsee rechtmässig erfolgt? Wir stellen uns dazu folgende grundsätzliche Rechtsfragen:

  • Kann einem privaten Gastronomieunternehmen auf diesem öffentlich zu nutzendem Areal für drei Monate unter dem Titel "Testlauf für Zwischennutzung" eine gastgewerbliche Einzelbewilligung nach Gastgewerbegesetz für eine Festwirtschaft erteilt werden? 
  • Kann sich die Bewilligungsbehörde ausschliesslich auf das Gastgewerbegesetz abstützen oder hat sie die geltenden Rechtsnormen namentlich aus dem Raumplanungsgesetz (RPG) dem Umweltschutzgesetz (USG), der Gewässerschutzverordnung, der Lärmschutzverordnung als übergeordnetes Bundesrecht zu berücksichtigen sowie die Anwendung des kantonalen Baugesetzes zu prüfen?
  • In die ehemalige Werkstatt des Entsorgungshofes hat die Stadt Bern für eine dreimonatige Festwirtschaft 60'000 Franken in Umbauarbeiten investiert. Die "Bar au Lac" hat weitere 60'000 Franken in den Umbau zum Gastronomieraum investiert. Hätten diese Umbauten in der Gewässerschutzzone eine entsprechende Baubewilligung benötigt? Wird dieser Umbau nach Ablauf der Festwirtschaftsbewilligung wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückgeführt?
  • Ein Teil des Entsorgungshofes liegt in der Gewässerschutzzone, darunter der ganze Gastgewerberaum. Weil das Gebäude lange vor Inkrafttreten der Gewässerschutzverordnung errichtet worden ist, geniesst es Besitzstand. Gilt dieser Schutz auch für eine Räumlichkeit, die einer neuen Nutzung zugeführt wird, bzw. von den Gastronomen zweckentfremdet genutzt wird?
  • Hat der Regierungsstatthalter mit Erteilung der Festwirtschaftsbewilligung seine amtliche Kompetenz überschritten?